Weingläser sollten höchstens halb gefüllt werden. Deshalb ist es ratsam, sich zum Beispiel in Gaststätten den Wein in einem Krug oder besser noch in einer Karaffe servieren zu lassen. Das Bouquet kann sich nur in einem Glas entfalten, in dem genug Luftraum über dem Weinpegel vorhanden ist.
Bei der Beurteilung des Inhalts wird das Glas geschwenkt, also mit leicht kreisenden Bewegungen um die Vertikale in Bewegung versetzt, um den Wein die freie Innenfläche des Kelches benetzen zu lassen. An dieser ablüftenden Glasfläche entsteht dann der Geruchseindruck, den die Nase aufnimmt. Ein zu volles Glas hat zu wenig von dieser freien Glasfläche, was den "Naseneindruck" verfälscht. Aufgrund seiner offenporigeren Materialbeschaffenheit bietet Bleikristall dem Wein von vornherein eine größere Benetzungsfläche und lässt ihn stärker als bei Kristallgläsern an der Glaswand haften. Dies spielt für die Wahrnehmung durch die Nase eine merkliche Rolle, weil der Wein an der Glaswandung eines Bleikristallglases intensiver verdunstet.
Auch dem Glasrand wird ein gewisser Einfluss auf das Geschmackserlebnis zugemessen; er sollte dünn und perfekt geschliffen sein, also nicht zu dick oder gerundet (Rollrand). Der optimale Rand sorgt dafür, dass der Wein die Oberfläche der Zunge schnell und gleichmäßig benetzt. Außerdem hilft er, den Wein in möglichst kleinen Schlucken zu dosieren.
Des Weiteren sollte das Weinglas nicht am Bauch, sondern nur am Stiel angefasst werden, damit sich die Temperatur des Weines nicht durch die Handwärme erhöht. Die Gläser sollten in etwa die Temperatur haben, die auch für den Wein richtig ist, also 8 bis 10 °C für Weißwein, und 15 bis 17 °C für Rotwein. Die Wandung sollte gerade so dick sein, dass abweichende Temperaturen des Weinglases keinen merklichen Einfluss auf den Wein haben. Andernfalls wird der Wein entweder zu warm, oder das Glas beschlägt, so dass die optische Beurteilungsmöglichkeit darunter leidet.
Beim Trinken von Schaumweinen sollte man auf die häufig verwendeten flachen Schalen verzichten, weil die Kohlensäure wegen der großen Flüssigkeitsoberfläche zu schnell entweicht. Ein anderer, häufig vernachlässigter Aspekt ist in diesem Zusammenhang die gezielte Perlage. Dazu wird bei Sekt- und Champagnergläsern in der Produktion bewusst ein kleiner Fehler, der sogenannte Moussierpunkt, an der Innenseite erzeugt. An dem angegossenen Punkt oder einer angeschliffenen Stelle abseits der Mittelachse setzen sich die Kohlensäure-Bläschen ab und steigen als Schnur aus feinen Bläschen auf.
Aromen im Wein sind mitunter eine scheue Spezies. Sie zeigen oft nur die „Spitze des Eisbergs“, wenn sie filigran, vielschichtig und ausdrucksvoll vor unserer Nase tänzeln und unseren Gaumen kitzeln. Ohne das richtige Glas bleibt ein wichtiger Teil der Aromenfülle eines Weines unentdeckt oder geht auf der Strecke zwischen Glas und Gaumen verloren.
Es ist Aufgabe des Glases, die Aromen im Wein zu virtuoser Leistung anzuspornen, sie fein zu stimmen und ihre Noten in die „richtigen Bahnen zu lenken“, so dass sich in Glas und Gaumen das volle Bukett entwickeln kann.
Die Theorien zum Glas sind so vielfältig wie die Philosophien zum Wein. Doch man sollte unterscheiden zwischen allgemeingültigen Regeln und eben Theorien, basierend auf Vorlieben und vielleicht auch persönlichen Erfahrungen.
Glasklar – nur ein klares durchsichtiges Weinglas vermag die Klarheit und Brillanz eines Weines zu spiegeln. Auf Schnörkeln, Verzierungen und Gravuren ist dabei zu verzichten.
Hauchdünn – Natürlich ist dies ein relativer Begriff. Experten sehen im dünnen Glas einen objektiv besseren Trinkgenuss, da hier der Kontakt zum Wein unmittelbarer erfolgt. Auch die Temperatur des Weines wird von einem dünnen Glas weniger beeinflusst.
Langstielig – Der Stiel sollte so lang sein, dass Sie das Glas problemlos mit Zeige-, Mittelfinger und Daumen halten können. So wird vermieden, dass Ihre Hand den Wein erwärmt und ihr Geruch die Wahrnehmung der Weinaromen beeinflusst. Auch die unschönen Tapser am Kelch bleiben aus und der optische Genuss damit ungetrübt.
Sauber – Spülmittelreste, Chlor und womöglich ein Rest Schrankgeruch – diese Gerüche verbinden sich schnell mit den Weinaromen und sind daher tunlichst zu vermeiden. Im Zweifel spült man das Glas mit einem Schluck Wein aus der Flasche aus. Das neutralisiert alle unerwünschten Noten.
Sind diese Regeln erfüllt, ist eine gute Startposition erreicht. Alle weiteren Ansprüche an das Glas hinsichtlich Form und Größe sind mehr eine Frage der Ästhetik und Philosophie. Dabei sind die Gesetzmäßigkeiten einfach und einleuchtend: Weingenuss beginnt bekanntlich mit der Nase. Damit die Aromen sich entwickeln und entfalten können, wird der Wein im Glas vorsichtig geschwenkt. Das geschieht am leichtesten in einem gewölbten Kelch. Der Wein läuft an den Seitenwänden ab, die Aromen werden befreit und sammeln sich in der sich nach oben verjüngenden Form. Dort fangen wir sie beim Riechen ein und erleben den Wein erstmals sensorisch. Je komplexer und voller die Aromen, um so größer muss demzufolge die Wölbung sein, um so genügend Raum zu lassen für die Fülle und Vielfalt, die sich dann offenbart.
Schwere und volle Rotweine, Spätburgunder oder Dornfelder beispielsweise, entfalten sich in dickbauchigen leicht voluminösen Gläsern am leichtesten. Auch bei schweren Weißweinen hilft ein „bauchiges Glas“. Dass für Weißweine stets ein kleinerer Kelch zum Zuge kommt, liegt an den oft filigranen und feinen Aromen, die sich in einem überdimensionierten Kelch leicht verlieren. Aber auch daran, dass sich der gekühlte Weißwein in kleinen Gläsern nicht so schnell erwärmt – er ist schneller ausgetrunken und wird aus der gekühlten Flasche nachgeschenkt.
Bei der Entwicklung der Glasformen spielt die Anatomie unserer Zunge eine wichtige Rolle. In diesem Zusammenhang hat sich auch die Erkenntnis durchgesetzt, dass der Umgang mit Wein bei einem dünneren, filigraneren Glas mehr Genuss verspricht. Beim Trinken wird der Mund mehr gespitzt und automatisch werden alle Geschmackssinne auf ein neues Erlebnis eingestellt. Je nach Größe der Glasöffnung treffen die ersten Tropfen auf den unterschiedlichen Bereichen der Zunge ein und verursachen so eine spezifisches Geschmackserlebnis. Unsere Zunge erkennt bekanntlich vier Geschmacksrichtungen, wobei die Wahrnehmung durch die Konzentration von Sensoren in bestimmten Bereichen verstärkt wird: vorne süß, an den Seitenrändern sauer und salzig und auf dem hinteren Teil bitter. Diese sensible Geografie macht man sich beim Weingenuss zu nutze, indem man mittels einer geeigneten Glasform die Wege der Weinaromen auf der Zunge steuert.
Quelle: Deutsches Weininstitut